Stuttgart – Flight distance ?


Wer jemals in einer Unternehmensberatung gearbeitet hat, der wird den legendären Begriff „flight distance“ kennen. Er bezeichnet die Art von Entfernung, bei der es wirklich sinnvoll ist, sich in den Flieger zu setzen anstatt mit einem PKW oder den Öffentlichen Fernverkehrszügen anzureisen. Die magische Grenze liegt bei ca. 4 Stunden Zugfahrt.
Für Hamburg ist also irgendwie alles deutlich südlicher von Frankfurt – sprich, alles was südlich des „Ruhrpotts*“ liegt – als flight distance anzusehen.

Ich selbst handle meist auch so, denn ich finde Bahnfahren auch bei 4-Stunden-Trips durchaus interessant:

– von mir zu Hause brauche ich ca. 10 Minuten zu Fuß zum Bahnhof; zum Flughafen dauert es eine gute halbe Stunde mit jeder Form von Verkehrsmittel.

– Wenn ich zum Bahnhof hechte, reicht es, wenn ich 3 Minuten vor Abfahrt da bin; in vielen Fällen auch 10 Minuten nach planmäßiger Abfahrt, aber das ist ein anderes Thema 🙂
Beim Flieger muß ich schon ne Stunde vorher am Flughafen sein, um Check In und Boarding hinzbekommen.

– Bei der Bahn setze ich mich dann auf meinen Platz, pröddle mein Gepäck irgendwo hin und fang‘ an zu arbeiten (oder ab und an zu bloggen) während mein iPod läuft. Mein Mobile ist dabei auch angeschaltet, ich bin also zumindest sporadisch in der Lage, mit meiner Umwelt Kontakt aufzunehmen. Desweiteren habe ich ein gutes Bordrestaurant und Toiletten, die ich jederzeit aufsuchen kann. Ich kann mich innerhalb des Zugs auch frei bewegen.
Wenn ich fliege, dann muß ich mich erst mal anschnallen. Es gibt kein Bordrestaurant, dafür aber ein Freigetränk am Platz. Arbeiten kann ich auch erst nach dem Start und bis zur Landung, effektiv innerdeutsch also nur 30-40 Minuten, je nach Flugdauer. Handgepäck darf ich auch nur ein Stück mitnehmen. An Erreichbarkeit per Mobiltelefon während dieser Phase ist mal überhaupt nicht zu denken! Man könnte ja das Flugzeug zum Absturz bringen 🙂

– Wenn ich mit der Bahn angekommen bin, schnapp‘ ich mir meine Sachen, steige aus und bin IM ZENTRUM. Flughäfen liegen zumeist außerhalb der Stadt, weil sie viel mehr Fläche benötigen und auch sehr viel Krach machen. Darüberhinaus muss ich – da ich meistens mit Koffer UND Notebook unterwegs bin, erst mal aufs Gepäck warten. Bis ich dann aufm Flughafen wieder rausgefunden habe und in der S-Bahn gen Zentrum sitze, dauert es auch wieder ewig.

Eine wirkliche Zeitersparnis hat man also in den wenigsten Fällen. Dennoch wollte ich letztlich nach Stuttgart und daher fliegen. Kostenbewußt habe ich den Flug eine halbe Ewigkeit im Voraus gebucht (erwähnte ich bereits, dass das Bahn-Preismodell da deutlich unkomplizierter ist und deutlich mehr Flexibilität möglich macht?) und es kam wie es kommen mußte…

Da ich beruflich im Rheinland zu tun hatte, habe ich den Hinflug nicht wahrnehmen können. Jetzt aber kommt der wichtige Part, den man nicht unterschätzen darf: Nichtaufkreuzen auf dem Hinflug bedeutet automatisch, dass die Reservierung des Rückflugs ebenfalls verfällt (wie will man den denn auch wahrnehmen? Man ist ja logischerweise nicht an dem Ort, von dem der Flieger wieder zurück geht, weil man ja gar nicht erst HINGEFLOGEN ist… Insellogik!). Dank eines Hinweises flugerfahrenen Kollegen und mit Hilfe unseres subkompetenten Reisebüros ist es mir immerhin gelungen, Schadensbegrenzung zu betreiben und 3 Stunden vor Abflug Steuern und Gebühren erstattet zu bekommen. Leider war es natürlich nicht mehr möglich, einen auch nur halbwegs preislich attraktiven Ersatzflug zu bekommen. Und bei einem Delta von 200 EUR finde ich auch 5 Stunden Zug noch zumutbar.

Erwähnte ich eigentlich, dass ich NATüRLICH auch noch so kurzfristig bei der Bahn eine Sitzplatzreserverung bekommen habe und zusätzlich noch dank 1-Stunden-Takt der Züge an einem Meeting in Stuttgart teilnehmen konnte, dass ich fliegend verpasst hätte? Und deshalb denke ich echt über eine Bahncard 100 nach…

* Ihr wißt schon: für den geographisch gebildeten Hamburger ist ja eh alles zwischen Münster und Mainz „Pott“.

[M’r losse de Dom in Kölle (remixed) – Bläck Föös; kurz vor Mannheim]


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